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Dornheim ODER die (unnötige) Desensibilisierung der anderen

Im Juni 2024 kamen acht Menschen zu uns in die Gruppenstunde, fünf mehr oder weniger 'alte Hasen' aber auch drei Mädels von der Berufsfachschule für Logopädie. Das ist ein viel besseres Logos-zu-Betroffene-Verhältnis als auf der letzten Gruppenstunde, wo Fabian sich allein als Betroffener elf Berufsfachschülerinnen gegenübersah.

 

Angefangen haben wir mit der obligaten Vorstellungsrunde. Betroffene erzählten dabei mehr oder weniger ausführlich über ihren unflüssigen Werdegang (ach, Mmmmichael 🥱😵‍💫😇), die Logopädie-Mädels darüber, ob und welchen Bezug sie selbst zum Stottern haben und warum sie diesen Beruf ergreifen wollen.

 

Fachliches Thema war diesmal der Begriff der Desensibilisierung; Mmmmichael war ja auf dem stotterjuni.at 2024 in Innsbruck dabei und dort hatte Thilo Müller dankenswerterweise eine Folie an die Wand geworfen, welche Desensibilisierung beim Stotter(nde)n in drei Teilbereiche aufsplittete. Thilos rhetorische Frage in den Raum blieb am 6. Juni 2024 erwartbar unbeantwortet: "Wer von den hier anwesenden Normalsprechern (und das war bei Weitem die Mehrzahl) zeigt im Alltag regelmäßig ein auffälliges Verhalten, bei welchem ihm die Reaktion der Umstehenden scheißegal [sic!] ist?"

 

Aber Stotternde sollen sich gleich gegen drei Sachen abhärten, nämlich gegen:

  • den Zeitverlust durch die primäre Stotter-Symptomatik (Dehnungen, Wiederholungen, Blockaden; kurz gesagt soll man nach einem Stotter-Ereignis nicht beschleunigt weitersprechen, um auf dieselbe Brutto-Sprechrate zu kommen)
  • die wahrgenommene (oder vermutete) negative Reaktion der Zuhörerenden
  • die Scham des Anwendens einer selbst innerpersönlich als unnatürlich erlebten eigenen Sprechmethode (Sprech-/Stotter-Modifikation, z.B. Fluency-Shaping, Weicher Stimmeinsatz oder das Van-Riper-Trio: Prolongation, Pull-out, Nachbesserung)

Die Krux bei der Sache ist ja, dass viele Betroffene mindestens eine Sprechmethode anwenden können, es aber nicht tun. Prof. Dr. Wolfgang Wendlandt führt dies auf fehlende / zu geringe Desensibilisierung gegenüber der eigenen Sprechmethode zurück – ein Ausspruch, welchen er auf dem stotterjuni.at 2022 vor versammelter Mannschaft getätigt hatte. 

 

Der oft (auch diesmal gebrachte) Einwand, dass Zuhörende rückmelden, sich an Auffälligkeiten im Sprechen der Betroffenen zu gewöhnen und es praktisch gar nicht mehr wahrzunehmen, ist deren Sache und fällt nicht unter den Begriff der Desensibilisierung!

 

Nachdem wir festgestellt haben, dass Sprechen, Pseudostottern und In-vivo-Arbeit wichtig sind, haben wir uns für den nächsten Mittwoch ein Treffen im Biergarten verabredet, siehe links/unten bei 'Weitere hochaktuelle Veranstaltungen'. Wer kommen mag, mag einfach dazukommen! Und wer sich traut, ein Desensibelchen© zu sein, darf gerne stotternd oder mit Sprechtechnik sein Getränk ordern!

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